Wenn Schönheit doch nicht so wichtig ist, wie viele glauben ...
In den Tagen vor Weihnachten riecht es bei uns im Haus immer besonders gut, denn es wird ständig gebacken. So duftet es nach Zimt und gebratenen Mandeln, nach geschmolzener Schokolade und frischen Backwerk.
Emma hilft auch jedes Jahr fleißig mit. Heuer ist sie schon groß genug, um die frischen Lebkuchen ganz allein zu verzieren. So werden die Lebkuchensterne mit bunten Zuckerkugeln dekoriert, mit Mandelstiften belegt und mit Schokoglasur übergossen.
Ein Lebkuchenstern hat es ihr besonders angetan. Jede Ecke bekommt eine silberne Zuckerkugel und in der Mitte verfeinert sie ihn mit einem wunderschönen Schneeflockenmuster aus Zuckerguss. Als sie fertig ist, klatscht Emma freudig in die Hände. „Schau Mama, wie schön er geworden ist. Das ist der allerschönste Lebkuchen, den wir gebacken haben.“ – „Der ist wirklich ganz besonders schön, auf den müssen wir besonders aufpassen, wenn wir die Lebkuchen in die Keksdose setzen, damit er nicht zerbricht.“
Am Abend als alle Lebkuchen friedlich in der Keksdose liegen, beginnt der Stern zu prahlen „Habt Ihr gehört, ich bin der schönste Lebkuchen überhaupt. Ich bekomme sicherlich einen besonderen Platz am Keksteller.“ Die anderen Lebkuchen seufzen nur, ein kleines Lebkuchenherz meint: „Ich will einfach nur jemanden eine Freude schenken und gut schmecken.“ Überheblich lacht der Stern das kleine Herz aus.
Am nächsten Tag liegen alle Lebkuchen und Kekse auf einen großen Teller in der Stube. „Hoffentlich isst mich nicht irgendeines der Kinder.“ jammert da der Stern. Doch die Kinder und Gäste, die im Haus sind, bewundern den wunderschönen Lebkuchen, doch keiner von ihnen nimmt ihn. Schnell ist der Teller geleert, die Menschen freuen sich über jeden einzelnen Keks und sind begeistert wie gut das Backwerk schmeckt. Am Abend ist nur mehr der Stern übrig, dieser freute sich sehr „Da seht ihr wie besonders ich bin“ erklärt er den Lebkuchen, die am nächsten Tag zu ihm auf den Teller gelegt werden. „Keiner will mich essen, weil ich so schön bin.“ prahlt er. „Willst du wirklich ein alter trockener Honigkuchen werden, an dem sich jeder nur die Zähne ausbeißt“, fragt da ein Christbaum, der direkt neben ihm liegt.
Der Stern weiß nicht so recht was er antworten soll, daran hat er noch gar nicht gedacht. Er hat zwar schon davon gehört, dass es Lebkuchen geben soll, die gar nicht gegessen werden, sondern nur als Dekoration dienen und irgendwann weggeworfen würden. Doch er weiß, dass er aus besonders guten Zutaten besteht und wirklich gut schmeckt und das ist doch etwas ganz anderes, als ein reiner Dekor zu sein.
An diesem Tag füllt Emma zahlreiche Säckchen mit Keksen. „Oh du schöner Christbaum, du kommst in das Päckchen von Oma. Sie wird sich sicher freuen, wenn sie dich bekommt. Und du buntes Herz kommst in das Päckchen von meiner allerbesten Freundin Klara, was wird sie für Augen machen, wenn sie dich auspackt.“ plauderte sie vor sich hin. „Ich
bin schon gespannt, wer mich bekommt, sicher jemand ganz besonderes.“ ruft er den anderen nach, als diese nach und nach verpackt werden. Da greift Emma nach dem Stern, doch als sie ihn in der Hand hält kann sie sich offensichtlich nicht entscheiden und legt ihn wieder zurück. So bleibt er auch heute allein auf dem Keksteller übrig.
Als er in der Nacht so allein da liegt, hatte er das Gefühl, immer schwächer zu werden und er bekommt langsam Angst, dass er austrocknen und steinhart werden würde. Die Kollegen, die in der Keksdose bleiben dürfen, die haben es gut, die blieben frisch und saftig, aber hier auf dem Teller verliert er Tag für Tag an Feuchtigkeit. So liegt er immer auf dem Teller, jeden Tag kommen Kekse dazu, die nach und nach aufgegessen oder verschenkt werden. Nur die Anisbögen teilen sein Schicksal mehrere Tage, denn offensichtlich sind sie nicht so beliebt. Doch als Onkel Otto kommt, sind alle auf einmal weg und unser Lebkuchenstern bleibt wieder allein übrig.
Dieser fühlt, dass er schön langsam auszutrocknen beginnt und wird nun sehr traurig. „Ich wollte doch jemanden eine besondere Freude machen, doch so wie es aussieht, ist schönes Aussehen nicht das einzige das zählt.“ seufzt er. An diesem Tag steht die Mutter vor dem Keksteller und betrachtet den einsamen Lebkuchenstern. „Emma komm einmal her. Was machen wir mit deinem wunderschönen Gebäck. Wenn wir nichts tun wird er ganz austrocknen und dann kann ihn keiner mehr essen.“ „Aber er ist so schön, ich will ihn nicht essen.“ ruft Emma. „Dann sollten wir jemanden mit dem Lebkuchen eine ganz besondere Freude machen.“ „Aber ich habe schon allen ihre Kekspäckchen gegeben und das ist mein Keks.“ trotzt Emma. „Ich habe eine Idee!“ sagte da der Vater, der auch dazugekommen ist, er flüstert Emma etwas ins Ohr und langsam hellt sich ihre Miene auf.
Der Lebkuchen ist schon sehr schwach aber freut sich als er in eine durchsichtige Cellophantüte gesteckt wird, um verschenkt zu werden. Er bekommt auch eine wunderschöne rote Masche und am nächsten Tag, wird er in die Handtasche der Mutter gelegt.
Er staunt nicht schlecht, als er vor einer Kirche ausgepackt wird. Vor ihm sitzt ein alter Mann, ein Obdachloser, der eingewickelt in einem dicken, schmutzigen Mantel und einer alten Decke bettelt. Die Eltern legen in die Schachtel, die vor ihm steht, einen Geldschein hinein und Emma steht mit dem Stern in der Hand vor ihm. „Frohe Weihnachten, das ist mein schönster Lebkuchenstern.“ sagt sie. Verwunderte blickt der Mann sie an „Und den willst du mir schenken?“ fragt er erstaunt „Ja, weil du vielleicht eine ganz besondere Freude daran hast.“ meint Emma. Da läuft dem alten Mann eine Träne übers Gesicht als er mit zitternden Händen den Stern entgegennimmt. „Der ist wirklich besonders schön. Vielen Dank für dieses außergewöhnliche Geschenk.“ Nun ist auch der Lebkuchenstern zufrieden, denn er ist wirklich ein ganz besonderes Geschenk geworden.